Schnittmuster
Meine
Schönen Kleider
vom
deutschen Mädel zur digitalen Frau
Eine
Zeitreise
Intro/
Prolog
11.6.43
Meine
liebe Lilli!
Nun
bin ich also wieder zurück in der Stellung. Es hat noch einen Tag
länger gedauert. Wir waren vorgestern Abend schon verladen und nach
einigen Stunden Wartens hieß es dann doch: aussteigen – Nebel –
Irgend so was kommt ja immer dazwischen. Na, gestern Abend klappte es
dann aber mit der Überfahrt. Hatten eine sehr ruhige Fahrt, halb
neun waren wir in der Stellung. Hier fand ich fünf liebe Briefe von
dir vor, einen mit Zigaretten, einen mit anderem Inhalt. Herzlichen
Dank, Mädel. Ist ja gerade, als wenn du es geahnt hättest, wie
notwendig ich das brauchte. Hast du fein gemacht. Ist doch schade,
dass du dir die dumme Grippe da holen musstest. Ich mache mir auch
jetzt keine unnötigen Sorgen mehr, Mädel. Weiß wohl, dass es bei
dir Überbeanspruchung ist, deshalb allerdings auch meine Sorge
anfangs, als du nach Borsdorf fuhrst, wo es Mutter so schlecht ging.
Na hoffentlich hast
du
dich inzwischen von der Krankheit erholt und kannst noch zusätzlich
etwas Kräfte auf Vorrat speichern, vor allem Ruhe sammeln. Wegen der
Finanzen mach dir man nicht zu viele Sorgen. Es ist eben diesen
Winter durch die „Schweinerei“ gekommen. Hauptsache, dass du
nicht tiefer reinrutschst und allmählich heraus kannst. Du
schreibst, es wäre dir erwünscht, wenn ich im Juni auskäme. Kann
dir das leider nicht mitteilen. Das wirst du dir ja auch selber
gesagt haben, dass ich für diese Pariser Fahrt was gebraucht habe.
Na, nun will ich aber erst mal berichten. Also:
Es
kam natürlich alles sehr plötzlich. Aus der Schreibstube wurde
angefragt, wer noch nicht in Paris war. Habe jetzt einen Wachtmeister
als Spieß, Fuchs aus Hannover, der den Spieß in seinem Urlaub
vertritt. Fuchs habe ich damals schon in Französisch unterrichtet
und jetzt ist er auch im Englischen mein Schüler. Außerdem duze ich
mich mit ihm. Und dann ging es los. Vormittags schnell zum Arzt zur
Untersuchung. Dann nachmittags während der Geländeausbildung um
halb fünf hieß es, sofort zur Schreibstube. Musste noch mit dem
Fahrrad zur Abteilung, um meinen Marschbefehl zu holen. In Hast zu
Abend gegessen, schnell die paar Klamotten gepackt und dann konnte
ich zum Glück mit dem Chef im Auto zur Schiffsstelle fahren.
Überfahrt wie gewöhnlich. Am Samstagabend kam ich schon in Paris
an. Anmeldung. Ich sollte erst wieder nach auswärts in ein Hotel,
konnte dann aber für die erste Nacht in einem Übernachtungsheim
bleiben. Sonntag morgen bekam ich dann ein Hotelzimmer. Hotel
Calais, mitten in der Stadt. Am Sonntag hab ich mir dann allein Paris
mal angesehen. Es ist wirklich eine einzigartige Stadt. Wundervolle
Bäume und Straßen. Und all die Bauten sind so hingestellt, dass sie
von allen Seiten und weithin gesehen werden können. Der Triumphbogen
mit dem Grabmal des unbekannten Soldaten ist wirklich ein „Triumph“
bogen. Und eine herrlich breite Straße führt darauf zu. Die
Straße, auf der unsere Truppen auch in Paris einrückten. Na, ich
schick dir nächstes Mal die Photos zu und muss dir das im nächsten
Urlaub mal näher zeigen. Schade, dass du nicht dabei sein konntest!
Am Nachmittag sind wir dann zu dritt über die Boulevards, die
Hauptstraßen, früher die Wälle der alten Stadt, geschlendert. Da
bummelte alles her, sehr viel Militär, aber noch mehr Zivilisten.
Die Pariserin im Sonntagsstaat natürlich. Ja, die Pariserin! Es ist
wirklich auch ein besonderes Frauenzimmer, nicht gerade mein Ideal,
aber eben doch was Besonderes, anders als die übrigen Französinnen,
eleganter, geschmackvoller, mit viel Chic und Eleganz. Hüte hab ich
gesehen! Wagenräder! Wenn man den Hut sieht, kriegt man einen
Lachkrampf, aber die Pariserin kann die Dinger tragen. Sie stehen
ihr. Auch mit dem Schminken. Die Pariserin versteht es wirklich. Sie
malt ihre Lippen, aber geschickt, nicht so blödsinnig und auffällig
wie leider meist die deutschen Mädel. Und wenn man mal übel
geschminkte Mädel sah, waren es Provinzlerinnen oder - deutsche
Mädel, die Paris nachmachen wollten. So was steht der Pariserin, es
passt zu ihrem Charakter und ihrer Erscheinung, aber eben nicht für
ein deutsches Mädel. Und dann das Leben auf den Straßen! Alles ist
draußen. Viele sitzen in und vor den Cafés. Die Cafés sind zur
Straße hin vollkommen offen und fünf bis zehn Reihen Stühle stehen
noch auf dem Bürgersteig, alle mit dem Blick zur Straße, und davor
wandelt dann alles hin. Schaustellung! Sah sogar einen Frisiersalon.
Die ganze Front Fenster, direkt am Fenster saßen die Damen und
Dämchen mit ihren Apparaten um den Kopf, jedem sichtbar, vor allem
aber – sie kann selbst alles auf der Straße beobachten. Und so ist
das auf den riesenlangen Boulevards, die sich genau wie die
Promenaden in Münster rund um die Altstadt ziehen und auf der endlos
langen Prachtstraße, den Champs Elysées, die zum Triumphbogen
führen. Zur Schau stellen, das ist pariserisch. Gebäude, Menschen,
Kleidung und in den großen Kabaretts eben auch der unbekleidete
menschliche Körper, alles wird zur Schau gestellt. Es ist eben im
Gegensatz zum Deutschen doch eine ziemlich aufs Äußerliche
eingestellte Kultur. Auch die Unterhaltung ist eine solche
Schaustellung des Geistes, man zeigt Esprit, Witz, Wendigkeit, lässt
seine Sprachtalente aufblitzen, es kommt gar nicht so sehr auf den
Inhalt an, auch nicht, dass einer unbedingt zuhört, man muss sich
aber zeigen können. Für den Deutschen, besonders für den doch
innerlich veranlagten und in jeder Beziehung zurückhaltenden und
keuschen Niedersachsen, der seine Gefühle ungern, wenn überhaupt,
preisgibt, ist das mal ganz interessant zu beobachten, aber eben
fremd. ………
Und
abends waren wir dann in dem Kabarett, den Folies Bergères, einem
der berühmtesten Kabaretts. Auch das ein Erlebnis. Es war wirklich
großartig. Die Mädels natürlich nur sehr sparsam bekleidet. Na,
ich will dir doch mal das Programm zuschicken. Oben hatten sie im
Allgemeinen nichts, unten oft nur so ein kleines Dreieck wie ein
Feigenblatt. In Cherbourg waren auch wohl mal so genannte Pariser
Revuen, habe nur eine gesehen, war ziemlich plump und infolgedessen
widerlich. Diese Revue wirkte trotz der Nacktheiten keineswegs schwül
oder grob sinnlich. Es waren natürlich ausgesucht schöne Körper,
ist ja klar. Und das Wesentliche waren aber doch die
Bühnengestaltung, die phantastischen Beleuchtungswirkungen, die
Kostüme, die Farben. Na, so was muss man gesehen haben. Man kann es
nicht schildern. In Deutschland ist so etwas natürlich kaum denkbar,
es würde da sofort in eine Schweinerei, in eine Orgie ausarten.
Diese unbekümmerte Zurschaustellung ist eben für den Deutschen
unnatürlich. Für einen Neger ist ja völlige Nacktheit auch das
natürliche Gewand und auch für uns nicht anstößig. Es dauerte von
abends acht bis halb elf mit nur einen kurzen Pause, sonst folgte
Nummer auf Nummer ohne jede Unterbrechung.
(...)
Also,
grüß Oma, Tante Marianne, - wünsch beiden gute Besserung – und
Mathilde. Den Kindern einen herzlichen Kuss. Und du selbst sei recht
lieb in den Arm genommen und geküsst von deinem To
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